Reiter-Kurier September 2014 - page 27

Rubr i k
Reiterkurier · September 2014
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T i t e lthema : Re i tpädagog i k
Uta Gräfs Tipps zur
Kinderreitausbildung
Wer kennt nicht Uta Gräf, eine unserer besten deutschen Dressurreite-
rinnen, aber auch eine der sympathischsten Personen im Reitsport, die
regelmäßig im Fachpublikum für Begeisterungsstürme sorgt?
Spätestens seit ihrem Buch „Feines Reiten auf motivierten Pferden“ ist
Uta Gräf einem breiten Publikum auch als Fachfrau in Sachen Pferde-
und Reiterausbildung (mit Spaß und Motivation) ein Begriff.
Viele Jahre trainierte Uta Gräf auch Ponyreiter bis hin zu ihrem Auftritt
bei den Europameisterschaften. Erfahrungen in der Reitausbildung von
Kindern sind also mehr als gegeben.
Könnte also jemand besser geeignet sein, um einige Tipps zur fundierten
Kinderreitausbildung beizutragen? Ich freue mich, dass Uta Gräf bereit
war, ihre Erfahrungen mit Kindern einzubringen – besonders wichtig für
Uta Gräf: Spaß und Sicherheit!
1. Ungeschlagene Nummer eins – vor allem für Kinder – ist
der Faktor Spaß.
Kinder sollten so gefördert werden, dass sie jederzeit Spaß am Reiten
haben beziehungsweise behalten können. Dazu ist es ganz wichtig, sie
nicht mit hohen Leistungserwartungen zu überfordern.
2. Gleichauf mit dem Faktor Spaß liegt natürlich der Faktor
Sicherheit.
Kinder sollten bei allem was sie tun dafür sensibilisiert werden, welche
Gefahren dabei lauern können. Auch wenn es lästig ist, hier sind be-
ständige Sicherheits-Kommentare zwar manchmal unerwünscht, aber
unverzichtbar. Kinder haben noch keine ausgeprägten Antennen für
Gefahrenpotentiale, die der Sport nun einmal mit sich bringt. Helm und
Sicherheitsweste (v.a. für Gelände und Springen) sollten eine Selbstver-
ständlichkeit sein.
3. Nicht jedes Kind ist gleich.
Und nicht aus jedem Kind muss zwingend ein Turnierreiter werden.
Doch um alle Möglichkeiten so lange wie möglich offen zu halten, ist
eine breite Reitausbildung wünschenswert: Dressur, Springen, Gelände.
Doch Vorsicht: ein ängstliches Kind sollte auch hier zu nichts gedrängt
werden, sonst leidet der Spaß!
4. Besonders schön ist es für Kinder, mit vielen Gleich-
altrigen zusammen zu reiten.
Insbesondere Angebote wie Kostümreiten, Kinderturniere oder Quadril-
len-Reiten lockern das Trainingsprogramm auf.
5. Thema Eigenverantwortung:
Reiten ist ja auch deshalb so wertvoll für Kinder, weil sie lernen, Verant-
wortung für ein Pferd zu übernehmen. Diese Verantwortung sollte jedoch
– im Falle eines eigenen Pferdes oder Ponys – altersgerecht dosiert
werden. Kinder beziehungsweise Jugendliche sollten nicht zu früh sich
selbst überlassen werden, wenn es um den Umgang mit Pferden geht.
6. Reiterlich macht es Sinn, Kindern Erfolgserlebnisse zu er-
möglichen.
Das stärkt das Selbstbewusstsein und erhält den Spaß. Deshalb sollten
die Anforderungen nicht zu hoch angelegt werden, jedoch auch nicht zu
niedrig, da sonst die Herausforderung fehlt. Hier gilt es mit viel Finger-
spitzengefühl die Leistungsgrenzen der Kinder herauszufinden.
7. Zu einer fundierten Grundausbildung gehört vor allem die
Vermittlung einer positiven Einstellung zum Pferd.
Kinder sollten schon von Anfang an lernen, dass sie mit dem Pferd einen
lebendigen und empfindsamen Partner haben, den man als Reiter gut
und gerecht behandeln muss. Wut, Jähzorn oder grobes Verhalten sind
auf keinen Fall tolerierbar. Hier sollte man in Ruhe die Ursachen erfor-
schen und dies in Ruhe mit den Kindern besprechen.
8. Sitzübungen, Voltigieren oder Spiele (ohne Sattel) fördern
das Gleichgewicht und das Vertrauen zum Pferd.
Was das Kind in jungen Jahren lernt, ist unersetzbar für später.
9. Theorie:
Ab einem gewissen Alter ist es für eine fundierte Reitausbildung wichtig,
theoretische Grundlagen zu vermitteln. Hier eignen sich vor allem die
Reitabzeichen- oder Hufeisenprüfungen, um solche Grundlagen zu ver-
mitteln. Aber auch im Alltag sollte nicht versäumt werden, die Hinweise
des Reitlehrers anschließend durchzusprechen und auf das „warum“
einzugehen. Auch Bücher und Filme können untereinander verliehen
oder gemeinsam angeschaut werden.
10. Ältere bzw. fortgeschrittene Kinder und Jugendliche ler-
nen selbst sehr viel, wenn sie jüngeren Kindern Reitunter-
richt geben.
Zum einen reflektieren sie auf diese Weise das selbst Erlernte und wer-
den dazu animiert, sich die theoretischen Grundlagen anzueignen. Zu-
dem macht es Spaß und fördert den Zusammenhalt in der Stallgemein-
schaft, wenn schon früh vermittelt wird, dass einer dem anderen helfen
kann und dass konstruktive Kritik nichts Schlimmes ist. Und außerdem:
die Hinweise von Eltern an der Bande können Kinder schon bald nicht
mehr wirklich ertragen!
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